Dots and Ties

Material als geronnene Eigenschaft
Text: Kathrin Heinrich
Video: Felix Stekl, Bernadette Meisel
Fotos: Cati Donner

Alles, nur nicht der Pinsel! Dem Erwartungsdruck des Unikats zu entkommen, das motiviert Gertraud Köcks Arbeit, wie sie selbstironisch im Gespräch formuliert.

Im Siebdruck findet die Künstlerin die nötige Freiheit – die sich vielleicht gerade erst durch dessen technische Bedingungen eröffnet.

Innerhalb des gesteckten Rahmens des Druckverfahrens lotet sie die Grenzen des Möglichen aus, insbesondere in Hinblick auf Materialität. So druckt sie etwa auf Plexiglas, das im Anschluss thermisch verformt wird, oder nutzt ungewöhnliche Materialien wie Akustikschaumstoff als Motiv und als Druckform.

Die Hinwendung zu Druck als zentralem künstlerischen Medium entwickelte sich in Gertraud Köcks Schaffen dabei prozesshaft aus ihrer Arbeit an Objekten und Keramik heraus. Mithilfe des Smartphones begann sie, ihre Umwelt geradezu exzessiv festzuhalten. Dabei waren es oftmals verfremdete Blickwinkel auf die Stadt, die sie in ihren Bildern einfing: Schatten oder Kontraste im Stadtbild; Passagen und Zonen, die den ‚eigentlichen Raum‘ umschließen und oftmals unbeachtet bleiben.

Diese Beschäftigung mit Räumlichkeit und deren Begrenzungen, mit Raumwahrnehmung und Skalierung zieht sich als roter Faden durch Köcks Werke.

Die Skulptur I.T.E.M. (2022) etwa vergrößert ein Karton-Inlay einer Verpackung ins Monumentale; der ungenutzte Raum, der das Produkts umgibt, wird so aufmerksamkeitsökonomisch ins Gegenteil verkehrt und zum Protagonisten. Die lackierte Oberfläche bezieht dabei wiederum die Betrachter ebenso ein wie den umliegenden Ausstellungsraum.

Während der Pandemie, fand sich Köck zurückgeworfen auf Pinsel und Farbe und begann, davon ausgehend, Farbe als Material zu erkunden. So schuf sie Farbhäute, die selbst zum potenziellen Bildträger mutieren und deren Glanz wiederum den umliegenden Raum einbeziehen soll. Auch in ihren Drucken auf Plexiglas „arbeitet das Material mit“, so die Künstlerin. Die durchsichtige, geformte Materialität ist dominant, lässt aber auch Schatten zu, durch deren Wurf der Druck selbst Raum greift. Der Bewertung des Mediums Druck als „Flachware“ stellt sich Gertraud Köck damit entschieden entgegen. 2018 fertigte sie die erste Plexiglasarbeit an, darauf folgten weitere Arbeiten wie SHEETS/B (2023), die immer mehr ins Skulpturale tendieren. 

In ihren aktuellen Arbeiten widmet sich Gertraud Köck der Materialität von Akustikschaumstoff, dessen grobporige, dunkelgraue Qualität so brutal wie weich anmutet. Mit dieser Gegensätzlichkeit spielt sie in großformatigen Arbeiten wie der Wandskulptur O.T. (2022), denen die Bronzegrundierung der Drucke ein feines Glimmern verleiht. Zugleich flach und plastisch, erinnern die zusammengesetzten Formen der Schaumstoffstruktur an Op-Art und erzeugen Bewegung. 

Die Farbpalette bleibt dabei meist zurückhaltend, Grautöne, Schwarz und Weiß dominieren. Denn Farbe, so Köck, gebe so viel Information preis, sie könne leicht ablenken. Wenn sie Farbe einsetzt, dann sehr gezielt und ohne Scheu vor der großen Geste, wie eine der jüngsten Serien von Drucken beweist. Auf leuchtenden Untergründen in sattem Orange, Grün oder Blau wirken die golden gedruckten Schaumstoffformen mal matt und stumpf, mal geradezu pompös. Hier wird deutlich, was Gertraud Köcks Arbeit auszeichnet: sie begreift Material als geronnene Eigenschaft.