Riley’sches Flimmern

Oder "Von Schmuck und Stoff zu Linie, Maschine, Papier, Objekt und wieder zurück"
Über die "monos" von Jasmin Schaschl
Text: Synne Genzmer, Übersetzung: Sam Bunn
Video: Felix Stekl, Bernadette Meisel
Fotos: Caterina Donner

Optische Schimmereffekte und feines, buntes Lineament bleiben als erster Eindruck der gezeigten Arbeiten von Jasmin Schaschl. Vielleicht die Impression von Stoff, oder eines Kleidungsstücks. Auch eine spezifische visuelle Attraktivität und eine Ästhetik der Leichtigkeit, die neugierig auf das Bildgebungsverfahren macht, das die Künstlerin verwendet: die Technik des Siebdrucks.

Schon die zarten Linien, die Muster in allen denkbaren Farben bilden, die abwechselnd glänzenden und matten Flächen in einem Bild, lassen auf einen sensiblen und ungewöhnlichen Umgang mit den vergleichsweise groben Druckmaschinen schliessen. Der Illusionismus des Materials löst sich beim Betrachten aus unmittelbarer Nähe auf in mehr oder weniger erkennbare Farbschichten, die übereinander gedruckt wurden. Und diese Effekte eines Spiels von Nähe und Distanz sind es auch, von denen sich die Künstlerin selbst faszinieren lässt.1 Für sie als Produzentin beinhaltet dies allerdings viel mehr Schichten, als es ein kurzer Blick erschliessen kann. Der Druck in Schichten ist für die Serie der Monos ausschlaggebend.

Aber auch in der Werkstatt und im Studio von Jasmin Schaschl türmen sich Schichten aus bedrucktem Papier, die sie schnell durchblättert, um Drucke herauszufiltern, mit denen sie schliesslich weiterarbeitet. Aus der Siebrucktechnik hat sie eine künstlerische Praxis entwickelt, die das Prozessuale zum Konzept macht: Wenn sich Jasmin Schaschl in den künstlerischen Prozess hineinbegibt, zählen fertige Konzepte und detaillierte Planungen zunächst einmal nicht viel: aus einem Blatt werden Berge von Drucken, aus einer Vorlage zahlreiche Varianten an Mustern, Motiven und zufällig entstandenen Formen, wie sie im Siebdruck nicht unbedingt zu erwarten wären.

Nicht umsonst wurde der Siebdruck zuerst zum bevorzugten Medium der Werbegrafik und boomte mit der Pop-Art und Warhols Marilyn Monroe: Die Möglichkeit die Tradition auszuhebeln und die Vorzüge der Zugänglichkeit waren gegeben – durch Reproduzierbarkeit eines Bildes in hohen Auflagen, die starken, leuchtenden Farben, die formale Vereinfachung, die leichte Übertragbarkeit von Motiven auf Papier, eben künstlerische Plakativität. Dagegen macht sich Jasmin Schaschl den Druckprozess zu eigen, um aus dem Verfahren und der Materialität selbst die Formen für ihre Bildobjekte abzuleiten: statt die strenge Schablone einer Darstellung präzise in bestimmte Farben umzusetzen, arbeitet sie prozessual und stellt am Drucktisch zunächst unzählige Varianten aus gezeichneten Vorlagen her, von deren Endprodukt sie selbst überrascht sein kann. Keine figurativen oder abstrakten Kompositionen, keine angedeutete Gegenständlichkeit, kein vorkonzipiertes Ergebnis, denn es geht mehr um die Visualität von Strukturen, Verhältnissen, Kombinationen, die sich aus fliessenden Vorgängen hervorheben.

Die Technik des Siebdrucks ermöglicht es der Künstlerin, „einzelne, schon verwendete Elemente immer wieder zueinander in Beziehung bringen und neue, visuelle Ergebnisse zu bekommen, je nachdem in welcher Reihenfolge die Vorlagen übereinander gedruckt werden und in welcher Farbe: Das ist ein endloses Spiel.“2

Zwar sind die Arbeitsschritte selbst repetitiv und von unzähligen Wiederholungen von Farben und Formen geprägt, das endgültige Muster ist jedoch einmalig, singulär, eine spezifische, eben nicht wiederholbare Abfolge von Schichten – quasi ein Widerspruch zu seiner eigenen Form und Medialität. Gleichzeitig lässt sich eine handgezeichnete Linie mit Pinsel oder Stift unendliche Male übertragen und variieren, wobei die ursprüngliche Geste erhalten bleibt, erläutert Jasmin Schaschl:

„Die analog hergestellten Vorlagen kann ich immer wieder verwenden, ohne dass die eigene Handschrift verloren geht: Ich kann sehen wie das, was ich in Schwarz mit Tusche gemalt habe oder aus einem Papier gerissen habe immer noch meine Handschrift trägt aber in Rot, Blau, Grün und übereinander und nebeneinander.“3

Neben der physischen Anstrengung des Produktionsprozesses, der den ganzen Körper beansprucht, schreibt sich insbesondere der Faktor Zeit in die Arbeit ein:

„Siebdruck, so wie ich es mache, ist ein zeitintensiver Prozess, der alle möglichen Geschwindigkeiten und Sinnlichkeiten durchläuft. Ich verbringe gerne Zeit mit den Arbeiten“4,

so die Künstlerin. Vor allem aber bildet sich Zeitlichkeit, Dauer ebenso wie unzählige Momente in jeder Druckschicht ab.

Die „Geschwindigkeiten“ und „Sinnlichkeiten“ konzentrieren sich schliesslich im stillgestellten Bildobjekt, dem mono, „abgeleitet von Monolith, einer geschlossenen, kompakten Form“5, die zwar in diesem Fall zweiteilig ist, jedoch visuell einen ruhenden Körper bildet und die Assoziation zu einem Torso oder Resonanzkörper hervorruft.

Objekthafte Wirkung erzeugt einerseits die Abkehr von der klassischen, rechteckigen Fläche durch den Zuschnitt des Passe-Partouts:

Geschwungene sich nach innen oder aussen wölbende Formen entlang der Kante, verdecken gleichzeitig den geraden Rand des Papiers. Eine Geige. Eine Gitarre. Oder doch eine Bluse? Ein besonderer Aspekt dabei steht im Vordergrund des Interesses der Künstlerin am Körper als solchem, der sich im Bereich des Brustkorbs abspielt: Hier schmückt sich der Mensch, hier erhalten Kleidungsstücke besondere Verzierungen, hier wird vor allem der weibliche Körper kultureller und gesellschaftlicher Prägungen entsprechend bedeckt oder entblösst.

Die starke Affinität der Künstlerin zu Textilem übersetzt sie grafisch und medial, gleichzeitig körper- und flächenhaft, in ein Muster als Bild und Objekt. Auch die Ähnlichkeit zu anderen weiblich konnotierten Kulturtechniken wie Weben oder Stricken sieht Jasmin Schaschl, wo Fäden über- und untereinander gelagert werden, um ein festes Gefüge zu bilden. Ebenso geschichtet und verstrickt sind ihre Inspirationen – von der Malerei der Moderne, der Geschichte des Scherenschnitts, der Mode, der Tapisserie, bäuerlichem Schmuck, antiker Vasenmalerei über Frida Kahlo, Helene Frankenthaler, aussereuropäischen Kulturen bis zu Comics, Kinderbüchern oder mittelalterlichen Andachtsbildern. Ein Übertrag scheint hier stattzufinden, der sich in der Serie der monos als feine Struktur abbildet.

Per Druckverfahren überträgt die Künstlerin eine spezifische Visualität von Stofflichkeiten auf Papier, dessen Leichtigkeit die Dimensionen des Zeichnerischen ebenso berührt wie die jener kultureller Techniken, die sie in grafische Zeichen aufgelöst und wieder miteinander verwoben hat.

1 Die Künstlerin in einer Korrespondenz mit der Autorin im August 2020.
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From jewelry and fabric to line, machine, paper, object and back

The "monos" of Jasmin Schaschl
Text: Synne Genzmer, Translation: Sam Bunn
Video: Felix Stekl, Bernadette Meisel
Photos: Caterina Donner

First impressions of Jasmin Schaschl‘s work are of optical shimmer and fine, colorful linework, suggesting the feeling of fabric or clothing. There is a specific visual attractiveness and lightness to the artist‘s aesthetic that arouses curiosity about the imaging process she uses – the technique of screen printing. Delicate lines form patterns in all conceivable colors as alternating glossy and matt surfaces form images, suggesting a sensitive and unusual approach to the relatively coarse mechanics of the printing press. When viewed from close up, the illusion cast by the materials dissolves into recognizable layers of colour printed one on top of another. It is this effect, the play of closeness with distance, that fascinates the artist herself. In her role as producer, this preoccupation involves many more layers than a quick glance can reveal.

 

Printing in layers is an essential part of the monos series. Analogously, layers of printed paper also pile up in Jasmin Schaschl’s workshop and studio, providing a resource she can quickly flip through to select ideas to take further. Pre-concieved results and detailed plans don’t count for much as she immerses herself in the artistic process. Schaschl has developed an artistic practice from the techniques of screen printing that grants this process conceptual power. One sheet becomes a mountain of prints, one template produces numerous variants of pattern, motif and form that might not be expected from screen printing.

Screen printing didn‘t become the preferred medium of advertising graphics for no reason, nor was it a coincidence that these techniques crossed over into Pop Art with famous works such as Warhol’s Marilyn Monroe. These techniques presented the possibility of undermining tradition and, through the easy reproducibility of an image in large numbers, had the advantage of accessibility. The strong, bright colors, necessary formal simplifications and easily transferable motifs allowed for a certain kind of artistic boldness.

Counter to this approach, Jasmin Schaschl derives the forms for her picture objects from the method and the materiality of the printing process itself. Instead of precisely converting the strict template of a representation into specific colors, she works procedurally, initially creating countless variants from sketches on the printing table, so that the end result might surprise even her. Working without figurative or abstract compositions with no implied objectivity or preconceived aims, the work becomes more about identifying the structures, relationships and combinations that stand out amidst the flow of processes.

As the artist says herself, the technique of screen printing enables her to

“relate individual, already used elements to each other again and again to create new, visual results, depending on the order in which the templates are printed on top of one another and in which color – it’s an endless game.”

Though the process itself is repetitive and characterized by countless applications of colors and shapes, the final pattern that results is unique – a specific, non-repeatable sequence of layers that is somehow a contradiction to its own shape and mediality.

Due to the medium, a hand-drawn brush or pen line can be transferred and varied infinitely without losing the essence of the gesture. Jasmin observes that, “I can use the analogue templates over and over again without losing my handwriting. I can see in red, blue and green that which I painted in black with Indian ink, or that I tore from a private document, alongside or on top of one another, such that these marks still retain the characteristics of my own hand.”

 

 

The mono of the series title “derives from monolith – a closed, compact form”, which in this case creates the impression of a resting body and an association to torsos or sound-boxes. Through the cut of the passe-partout, these object-like effects create a departure from the typical, rectangular areas of screenprinting. Shapes curve inward or bulge outwards, disguising the straight lines of the paper, suggesting a violin, a guitar, or perhaps a blouse.

This last association fits nicely with the artist’s particular interest in the body, which is focused on the chest area. Here people adorn themselves, here clothing is given special decorations, and here specifically, the female body is covered or exposed according to cultural and social influences.

Unsurprisingly, Schaschl has a strong affinity for textiles, which she translates graphically across media into patterns that present both as image and object whilst retaining the corporeality and planar elements of the chest. She acknowledges a similarity to other cultural techniques with feminine connotations, such as weaving or knitting, where threads are also stacked over and under each other to form solid structures.

Her inspirations are eqally layered and entangled, stretching from modern painting, the history of paper cutting, fashion, tapestry, rural jewelry, antique vase painting, Frida Kahlo, Helene Frankenthaler and non-European cultures to comics, children’s books and medieval devotional imagery. A transfer can be seen to take place here that is reflected in the fine structures of the monos series:

Using the printing process, the artist translates a specific visual aspect of materiality onto paper, with a lightness that touches the dimensions of drawing as well as those of the cultural techniques that she has broken down into graphic symbols, to be rewoven with one another anew.

1 The artist in correspondence with the author, August 2020.
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EXHIBITION

Impressionen und Ausstellungssansichten der Ausstellung, die am
10.10.2020 in den Räumen der Siebdruckwerkstatt von Viadukt Screen Prints statt gefunden hat.

Below you can see some impressions and installation views of the exhibition, which took place on
10.10.2020 at Viadukt Screen Prints‚ gallery space.