Prozess in der wahrsten Form

Prozesshafte Wahrheiten
Text: Paula Marschalek
Video: Felix Stekl, Bernadette Meisel
Fotos: Cati Donner

An einem Bach gelegen in einer Wiener Produktionsstätte angesiedelt bringt Renata Darabant in ihrer zum Verweilen einladenden Werkstatt1 Menschen zusammen, schafft eine Atmosphäre der Offenheit und des Wissensaustausches, der von einem künstlerischen Know- how zeugt. Während ihres Studiums an der Universität für angewandte Kunst in Wien, nahm sie an internationalen Projekten teil und verbrachte ein Auslandsjahr in Tokio, wo sie den japanischen Farbholzschnitt, auch Mokuhanga genannt, praktizierte. Spezialisiert in dieser traditionsreichen Drucktechnik nimmt sich die in Österreich und Rumänien aufgewachsene Künstlerin jene kulturelle Praxis als Heim, hält sie lebendig und entwickelt sich in dieser weiter. Eine besondere Materialität und Prozesshaftigkeit, Weltoffenheit und Interkulturalität zeigen sich sowohl in der Auswahl des bevorzugten, technischen Mediums als auch in ihrer persönlichen Lebensgeschichte.

„Je mehr Sprachen du sprichst, Reisen du machst, Menschen du triffst, umso mehr Menschen bist du, d.h. Denkweisen vereinst du.“2

Darabants inhaltliche Schwerpunkte liegen in der künstlerischen Reflektion der Welt, so beschäftigt sie sich mit wissenschaftlichen Fragen und grundlegenden Aspekten des Lebens wie Glaube und Wahrnehmung. Die Künstlerin zeigt im Rahmen der Serie „At the Printing Table“ neue, farbenstarke, abstrakte Arbeiten, befreit von Motiven wird hier die Motivation zum Protagonisten. Diese Dynamik bettet das Dargestellte in einen ständigen Prozess ein, der sowohl im Tun seitens der Künstlerin als auch im Sehen seitens der Betrachter*in wirkt. Unterschiedliche Formate und Drucktechniken werden miteinander in Dialog gesetzt, um so die Veränderlichkeit der Wahrnehmung und dadurch die veränderliche Wirkung auf die Betrachtenden ins Zentrum zu rücken.

Wird bei den bunten Arbeiten Farbigkeit Lage um Lage aufgetragen, um die Prozesse später freizulegen und einen Blick ins Innere zu erhaschen, so treten die feinen Papiergestalten in Wechselwirkung mit den Betrachtenden.

Die Installation spielt mit dem Zustand, der Geisteshaltung und Empathie in der Situation der Betrachtung beim Publikum. Es scheint fast so, als nehmen jene Erlebtes, Gedanken, Reaktionen und Schwingungen der Besucher*innen auf, wie Wolken bewegen sich die aus feinstem Japanpapier hergestellten Objekte und wiegen zum Rhythmus der Kunst.

„Es ist gut, die Dinge zu lernen, damit man sie dann verlernen kann.“3

Das Verlernen meint aber weniger ein Vergessen als ein Wiederholen des Gelernten in einem neuen Kontext. Es beschreibt eine künstlerische Praxis, die auf keinen Bruch mit Traditionen abzielt, diese stattdessen produktiv aufnimmt und in neue Felder einschreibt, stets eine doppelte Bewegung im Blick. So erweitert sich der Anwendungsraum, gleichzeitig findet eine abstrahierende Wendung nach innen statt, die eine neue Schicht der Idee dahinter erfahrbar macht.

„Mit dem was ich mache, dachte ich, mache ich immer einen Schritt weiter raus, aber vielleicht mache ich auch einen Schritt weiter rein.“4

Etwas gibt immer mehr von sich und seiner Wahrheit preis, umso mehr mit ihm getan wird, so zeigt sich die Prozessualität der Wahrheit. Diese Offenheit spiegelt sich auch in der Art und Weise des Erfahrens von Wirklichkeit. Darabant geht es nicht um das bewusste, rationale Verstehen etwaiger Bildinhalte oder Motive, sondern um ein gefühlsmäßiges, subjektives Erleben eines Phänomens. Im Herzen dieser sensorischen Wahrnehmung kulminiert sein subjektiv-phänomenaler Charakter mit dem abstrakten Moment einer Wahrheit: Verspüren einer Motivation als Zustand von Freiheit – Prozess in der wahrsten Form.

1 R. Darabant ist Gründerin und Leiterin des „Druckwerk Wien“ ein Werkstatt-Atelier zur projektbezogenen Nutzung für die künstlerische Originalgrafik, ergänzt durch diverse Vermittlungsprogramme.
2 Zitat von Renata Darabant während des Studio Visits im November
3 Zitat von Renata Darabant während des Studio Visits im November
4 Zitat von Renata Darabant während des Studio Visits im November

Process in its truest form

Process-based truths
Text, Translation: Paula Marschalek, Sam Bunn
Video: Felix Stekl, Bernadette Meisel
Foto: Cati Donner

Lying along a brook within a Viennese production complex, Renata Darabant’s workshop brings people together1.With its atmosphere of openness and knowledge exchange, the place invites one to linger, testifying to her understanding of people and space. Whilst studying at the University of Applied Arts in Vienna, Daraban took part in various international projects before spending a year abroad in Tokyo, where she began to explore the Japanese colour woodcut known as Mokuhanga. Later specializing in this traditional printing technique, the artist – who grew up in Austria and Romania – has adopted this cultural practice as her home, keeping it alive and continuing to develop it. A special materiality and process-based approach is evident in Darabant’s preferred medium and her personal life story, showing her openness to the world and her intercultural nature. 

“The more languages ​​you speak, people you meet and places you travel to, the more people you become. That is, different ways of thinking combine inside of your own self.” 2 

Sounding too simple at first, the content of Darabant’s work focuses on artistic reflection of the world. She tackles scientific questions and fundamental aspects of life such as belief and perception directly. But, in her work for ‘At the Printing Table’, which consists of new, brightly coloured, abstract works, here, freed from motifs, motivation itself becomes the protagonist. This dynamic embeds what is depicted in a constant process that affects both the artist’s actions and the viewer’s ways of seeing. Different formats and printing techniques are put into dialogue with one another in order to focus on the changeability of perception and thereby, the changing effect this can have on the beholder. Paint is applied layer by layer in these brightly coloured works, exposing processes and affording a glimpse into the interior. Darabant’s fine paper shapes interact with the viewer to create reciprocal relations – the installation plays with states; the state of mind or mindset of the viewer and the empathy involved in a situation where art is viewed by an audience. It almost seems as if the works absorb what they experience, the thoughts, reactions and vibrations of the visitors, these fine Japanese paper objects moving like clouds and swaying to the rhythms of art being processed by an other. 

“It is good to learn things, so you can unlearn them later on.”3

Unlearning here doesn’t so much mean forgetting as it does repeating what has been learned within a new context. It describes an artistic practice that does not aim to break with traditions, but instead takes them up productively and inscribes them into new fields, always with a double movement in mind. This expands the field of exploration, while at the same time embracing an abstract turning inward, which makes a new layer of the core idea more tangible. 

“With the things that I make, I always thought I was taking a step further outward. But perhaps I am also wading deeper in.”4

Something reveals more of itself and its truth, the more that is done with it. As the process of that truth becomes more apparent, so does the thing itself. This is so in the work of Renata Darabant. The openness of her working process is reflected in the way we experience reality. Rather than being about the conscious, rational understanding of any image content or motif, this is about an emotional, subjective experience of a phenomenon. At the heart of this sensory perception, this subjective-phenomenal character culminates in an abstract moment of truth: feeling a motivation as a state of freedom – process in its truest form. 

1 R. Darabant ist Gründerin und Leiterin des „Druckwerk Wien“ ein Werkstatt-Atelier zur projektbezogenen Nutzung für die künstlerische Originalgrafik, ergänzt durch diverse Vermittlungsprogramme.
2 Zitat von Renata Darabant während des Studio Visits im November
3 Zitat von Renata Darabant während des Studio Visits im November
4 Zitat von Renata Darabant während des Studio Visits im November

EXHIBITION

Fotos: Christoph Schlessmann