Text: Katja Stecher
Foto: Cati Donner
Video: Felix Stekl, Bernadette Meisel

Als Rechteck von beliebiger Grösse beschreibt der italienische Kunsttheoretiker Leon Battista Alberti das gemalte Bild und vergleicht es mit einem offenen Fenster. Hinter beiden spannt sich ein Raum auf – in eine reale oder eben eine imaginierte Wirklichkeit. Der Rahmen, durch den man ins Bild schaut, wird auch lange als Teil des Kunstwerks anerkannt. Erfunden im 15. Jahrhundert, schafft ihn die Moderne schließlich wieder ab, um die Autonomie des Gemäldes zu betonen. Braucht die Kunst keine Rahmen mehr?

Auch Stefanie Hintersteiner beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Praxis konsequent mit diversen „Rahmen“ und fordert deren teils einschränkenden Bedingungen heraus. Dabei experimentiert sie mit Form und Farbe, Linie und Fläche. Sie zerlegt, kombiniert, erweitert, transformiert und lotet in der Wiederholung vielfältige Möglichkeiten aus. So werden Grenzen stets von Neuem gezogen und der Rahmen unterschiedlich definiert.

Ihre Arbeiten sind aber nicht Begrenzung, sondern Brücke und Verbindung zwischen Fragmenten, die sich verschieden gruppieren und auf diese Weise auch stets anders kontextualisieren lassen.

Erstens: Der konzeptuelle Rahmen

Auswählen, vergrössern, zusammensetzen und damit spielen, lautet die Aufgabe, die sich Stefanie Hintersteiner zu Beginn eines Arbeitsprozesses stellt. Dazu durchforstet sie ihre kleinformatigen Zeichnungen nach einer flüchtigen Geste, einem unbedarften Gekritzel oder einem schnellen Strich – grafische Elemente, die sie herausfiltert und in einem nächsten Schritt analog verändert. Die destillierten Formen werden schließlich mittels Siebdruck auf Papier oder Leinwand übertragen, wo die linienbasierten Figuren auf monochrome Farbflächen treffen, sie durchdringen, zuweilen auch in ihnen versinken. Mit diesem reduzierten Vokabular bearbeitet die Künstlerin fortan mehrere Bilder parallel und versucht durch den beharrlichen Einsatz desselben Motivs, möglichst unterschiedliche Ergebnisse zu erzielen.

Der zwischen Absicht und Zufall angesiedelte Vorgang des Überlagerns und Verdichtens, des Arrangierens und Gegenüberstellens ist letztlich ein formal-kompositorisches Spiel, das Hintersteiner zunehmend perfektioniert hat.

Zweitens: Der „mediale“ Rahmen

Scheinbar mühelos wechselt Stefanie Hintersteiner zwischen den Medien Zeichnung, Malerei und Siebdruck. Dabei bedient sie sich ganz selbstverständlich der spezifischen Eigenschaften dieser Techniken und lässt sie in ihren umfangreichen Werkserien gekonnt miteinander in Verbindung treten.

Obgleich die Grundierung der Leinwand, also der manuelle Auftrag mehrerer Schichten Ölfarbe einem malerischen Akt gleichkommt, gelingt es der Künstlerin, Sieb und Rakel ebenfalls wie einen Pinsel einzusetzen und so auch im Druck malerische Effekte zu erzielen.

Das gerahmte, feinmaschige Gewebe beeinflusst die Intensität der Farben und hinterlässt ungewollte Spuren, die Hintersteiner oftmals als bewusste Störungen in einzelne Gemälde integriert. Und natürlich bedeutet die Grösse des Siebs auch eine Beschränkung, was die Dimension der Leinwand ebenso betrifft wie die physische Kraft, die für den Druck aufgewendet wird. Es ist eine prozesshafte und performative Arbeitsweise, die von der steten Aufmerksamkeit und Agilität des Körpers geleitet wird.

Drittens: Der Bilder-Rahmen

Bei der im Kunstraum ada – artistic dynamic association gezeigten Ausstellung Under Pressure, integriert Stefanie Hintersteiner den vorhandenen Türrahmen, indem sie das Holz mit ihren bedruckten Stoffbahnen einfasst. Wie Schuppen legen sich die gefalteten Textilien übereinander und verleihen der Arbeit als vielschichtiges Gefüge einen objekthaften Charakter. Zuvor schon hat die Künstlerin ihre Gemälde von der Wand befreit und sie auf frei stehenden Rahmen aus Holz oder Metall präsentiert.

Damit dringen die zwischen Gemälde, Skulptur und Installation befindlichen Werke in die dritte Dimension vor und besetzen den Ausstellungsraum.

In ihm wirken die farbigen Leinwände, die sich optisch ineinander verweben, wie Ausschnitte eines großflächigen Malprozesses. Als Betrachtende sind wir gewissermaßen ständig im Bild und bewegen uns darin wie einem performativen oder tänzerischen Akt.

Viertens: Der interpretative Rahmen

Was „sagen“ uns diese Bilder? Sie sind kraftvoll, explosiv, aufregend, sinnlich, emotional, manchmal auch zurückhaltend und streng: lose, sich verdichtende Linien und pastose, bisweilen auch transparente Flecken und Farbfelder auf Papier oder Leinwand.

Sie sind ambivalente, uneindeutige Zonen des Kontakts in denen sich das betrachtende Auge langsam seinen Halt ertastet.

Sie sind Prototypen der Imagination und fordern als solche eine Auseinandersetzung ein, die Samuel Beckett treffend formuliert hat: „Das Viele, das man ausdrücken will, das Wenige, das man ausdrücken will, die Fähigkeit, viel auszudrücken, die Fähigkeit, wenig auszudrücken, konvergieren in die allgemeine Anstrengung, soviel wie möglich auszudrücken, oder so wahr wie möglich, oder so gut wie möglich, so gut man eben kann.“1

1 Samuel Beckett zitiert in: Zeichnen zur Zeit, Kunstforum International, Bd. 196, April – Mai 2009, S. 105.

EXHIBITION

photos by Christoph Schlessmann